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GRÜSSAU / KRZESZÓW

Von der Deutsch-Polnischen Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz 2015 gefördertes Projekt „Inventarisierung des wiederentdeckten deutschen Archivs (1436 –1954) des heutigen Benediktinerinnenklosters Grüssau/Krzeszów, Woiwodschaft Niederschlesien, Polen"

Der Gebäudekomplex von Kloster Grüssau ist heute die bedeutendste und am besten erhaltene Klosteranlage Schlesiens. Er besteht aus der 1728 – 1735 errichteten Marienkirche, der 1692 – 1696 für die Josephsbrüderschaft erbauten Josephskirche, dem barocken Gästehaus, der Klausur im Süden mit Klostergarten, die unter Abt Placidus Mundfering (1768 – 1787) vergrößert wurde und unfertig geblieben ist, der Kanzlei und anderen Nebengebäuden wie die ehem. Brauerei und Apotheke, die vornehmlich aus dem 18. Jh. stammen, dem Kreuzweg, der Klostermauer und der Staupsäule. Besonders berühmt ist die Innenausstattung der beiden Kirchen. In der Josephskirche sind es vor allem die 1692 – 1695 entstandenen Fresken zur Josephslegende von Michael Leopold Willmann (1630 – 1706), welche u. a. den bedeutenden deutschen Expressionisten Ludwig Meidner (1884 –1966) zu Begeisterungsstürmen hinrissen, in der Marienkirche die noch teilweise von dem Barockbildhauer und -maler Ferdinand Maximilian Brockhoff (1688 – 1731) konzipierte und von seinem Schüler Anton Dorasil (1695 – 1759) und dessen Mitarbeitern realisierte Innenausstattung. Ein musikhistorischer Höhepunkt des Inventars ist die 1732 von dem Breslauer Orgelbauer Michael Engler (1688 – 1760) für die immense Summe von 29.000 Talern fertiggestellte Orgel.

Der derzeit im Benediktinerinnenkloster in Grüssau mit seiner wechselhaften Geschichte aufbewahrte Archivbestand reicht nur ausnahmsweise auf die Existenzzeit des Zisterzienserklosters in Grüssau zurück. Die genaueren Umstände seiner Entstehung sind unbekannt. Aus dem Inhalt jüngst wiederentdeckter Archivalien folgt, dass diese ursprünglich eigenständigen Archiven angehörten.

Die erhaltenen Akten bringen wichtige Details zum preußischen Kirchensystem zum Vorschein, Vorschein. Wieder gefundene Gemeindeakten erbringen Einzelheiten zur Baugeschichte der letzten 200 Jahre der Kirchen in der Umgebung, darunter wichtige Bauakten zur Restaurierung der wertvollen barocken Englerorgel in der Klosterkirche Grüssau. Von besonderem Interesse sind auch die überkommenen historische Baupläne, darunter ein Grundriss des Klosters Grüssau, der von dem jüdischen Architekten Paul Israel Ehrlich angefertigt wurde.

Einen interessanten Aktenbestand bietet das Archiv des 1919 aus dem Emmauskloster in Prag nach Grüssau verbrachten Benediktinerkonvents. Der Benediktinerkonvent Grüssau spielt eine wichtige Rolle für die Vorarbeiten der liturgischen Reform der Katholischen Kirche, die im 2. Vatikanischen Konzil 1963 ff. beschlossen wurde.

Die Abteilung Varia enthält einen kleinen, aber sehr wichtigen Bestand im Hinblick auf die Internierung der Schlesischen Juden im Kloster und deren Deportation 1941 – 1943.

Insgesamt umfasst der wiederentdeckte deutsche Archivbestand mit einem bereits 2014/15 aufgetauchten und vorgearbeiteten ersten Teil 2.000 Faszikel, die zu ordnen und in sechs Abteilungen zu gliedern und der interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen gewesen sind. Die Deutsch-Polnische Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz (DPS) hat das im Herbst 2015 gestartete und Mitte Januar 2016 beendete Inventarisierungsprojekt mit rund 1.600 Faszikeln als Maßnahmenträger auf Initiative und mit einer von der Erika-Simon-Stiftung in Rinteln eingeworbenen großzügigen zweckgebundenen Spende sowie Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) unterstützt.

Hauptbeweggrund dafür, dass sich die DPS, die ihre zentrale Aufgabe darin sieht, zur Bewahrung besonders erhaltenswerter Baudenkmale beizutragen, des wiederentdeckten Grüssauer Archivguts angenommen hat, war, dass der Bestand, neben Personal- und Wirtschaftsakten und Unterlagen des Verlags für Liturgik, größtenteils aus Bauakten, z. B. der Kapellen des berühmten Kreuzwegs sowie Visitationsberichten, Sitzungsprotokollen der Kirchenvorstände und Rechnungen besteht, die denkmalschutzrelevante Informationen enthalten, die fortan ausgewertet werden kann.

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Kloster Grüssau (Krzeszów) liegt in reizvoller landschaftlicher Umgebung an der Nordflanke des Riesengebirges unweit des Zieder (Nebenfluss des Bober) und des Städtchens Landeshut (Kamienna Góra) in der Woiwodschaft Niederschlesien. Die Entfernung nach Hirschberg (Jelenia Góra) beträgt 50 Autominuten (43 Km), nach Waldenburg (Wałbrzych) eine halbe Autostunde (22 KM) und nach Breslau (Wrocław) sind es rund 100 Km).

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Das Grüssauer Kloster wurde am 8.05.1242 von Anna, Witwe des Herzogs Heinrich II. von Schlesien († 1241) und ihrem Sohn Boleslaus als Benediktinerkloster gegründet. Der erste Konvent stammte aus dem nicht weit entfernten Benediktinerkloster in Opatovic in Böhmen. 1292 wurde die Klosterkirche geweiht und das Kloster von den Zisterziensern aus Heinrichau, Kreis Frankenstein, übernommen. Im Laufe des 14. Jahrhunderts bildete sich der Kern des Klosterbesitzes heraus, der aus ca. 40 Dörfern und den Kleinstädten Liebau und Schömberg. Dieser Besitzstand erhielt sich mit relativ geringen Veränderungen bis zur Säkularisierung des Klosters im Jahre 1810. In den Hussitenkriegen und im Dreißigjährigen Krieg war der Gebäudebestand stark verwüstet, um schließlich als ein Zentrum der Gegenreformation in Schlesien wieder auf zu erstehen.

Die Klausur schließt im Süden an die Stiftskirche und deren Sakristeinanbau an. 1662 wurde sie durch Stiftsbaumeister Martin Schuppert umgebaut und aufgestockt. Im Erdgeschoss befindet sich noch der gotische Kapitelsaal aus der Mitte des 15. Jahrhunderts (heute sog. Rittersaal).

1669 kam es zur Gründung des St. Joseph-Stifts. 1674 – 1680 entstand der Grüssauer Kreuzweg, 1678 die Loreto-Kapelle und 1690 kam mit Überführung der Emanuel-Figur aus Glatz der durch die Protestanten profanisierte Wallfahrtskult wieder auf.

Durch Abt Bernhard Rosa, entwickelte sich im ausgehenden 17. Jh. eine rege Bautätigkeit, während der anstelle der mittelalterlichen Pfarrkirche von 1692 – 1695 nordwestlich der Klosterkirche für die Josephsbrüderschaft die bis heute erhaltene Kirche St. Joseph errichtet wurde. Die zweigeschossige Fassade wird von kupferbeschlagenen Holzfiguren der Heiligen Sippe bekrönt.  Berühmt sind die den Innenraum schmückenden (50) Fresken zur Josephslegende von Michael Leopold Willmann (1630 –1706).

Unter Abt Innozenz Fritsch und Mitwirkung des Kreises um Kilian Ignaz Dientzenhofer entstand anstelle des Erstbaues von 1292 von 1728 – 1735 die bis heute überkommene barocke Kloster- resp. Stifts- resp. Abteikirche Mariä Himmelfahrt. Die Doppelturmkirche ist mit zahlreichen prunkvollen Kapellen bestückt, darunter die als festliches Barockmausoleum geschmückte Fürstenkapelle. Die reiche Innenausstattung der Marienkirche, die eine Emporenhalle mit fünfjochigem Langhaus und gleich breitem Querhaus ist, geht wesentlich auf die Barockbildhauer und -maler Ferdinand Maximilian Brockhoff (1688 – 1731) und Anton Dorasil (1695 –1759) zurück. Die Altargemälde sind von Peter Johann Brandl (1688 – 1735) und Felix Anton Scheffler (1701 – 1760). Die von Michael Engler (1688 – 1760) erschaffene, 1732 fertiggestellte Orgel hat 68 Register, 3 Manuale, und 2.600 Pfeifen) und ist nach der Vernichtung der Orgeln der ev. Stadtpfarrkirchen St. Nicolai in Brieg und St. Elisabeth in Breslau das einzige erhaltene große Instrument des bedeutendsten Meisters der schlesischen Orgelbaugeschichte.

Nach dem Ersten Schlesischen Krieg 1742 fiel Grüssau wie fast ganz Schlesien, das bis dahin ein Nebenland der Krone Böhmens gewesen war, an Preußen. Wegen der nachfolgenden Kriegslasten, mit denen auch das Kloster Grüssau belegt wurde, konnte erst unter Abt Placidus Mundfering (1768–1787) der Klausurneubau wiederum südlich der Klosterkirche nach Plänen von Johann Gottlieb Feller 1774–1782 begonnen werden. Unvollendet steht er heute als hoher dreigeschossiger Zweiflügelbau mit langem in stark veränderter Form realisiertem Südflügel und kurzem Ostflügelteil, der an den niedrigeren, durch den Sakristeianbau eingekürzten älteren Ostflügel mit dem gotischen Kapitelsaal anschließt, der Stiftskirche auf T-förmigem Grundriss gegenüber. Der jüngere südliche Teil des Kloster-Ostflügels wurde 1788 – 1790 von dem Architekten Johann G. Rudolf errichtet. Im Ostrisalit des Südflügels ist die zweigeschossige Kloster-Bibliothek mit klassizistischer Ausstattung untergebracht. Die Stiftskirche ist durch ihr Südquerhaus mit der Loreto-Kapelle von 1728 darin und dem anschließenden Sakristeianbau mit dem älteren Teil des Klosterostflügels verbunden.Die einstige mittelalterliche Klausur bildete ein Geviert wie bei anderen Zisterzienserklöstern. Der unfertige Klausurneubau resultierte daraus, dass die Abtei im Zuge der Säkularisierung durch den preußischen Staat 1810 aufgelöst wurde. Das in hoher religiöser und kultureller Blüte stehende Kloster wurde dadurch bedeutungslos.

Nach der Säkularisierung von 1810 wurde ein Teil der Innenausstattung der genannten Kirchen verschleudert und Großteile der Bibliothek gelangten nach Breslau, ein Umstand, der in den erhaltenen Archivalien detailliert dokumentiert wird. Und die Klosterkirche wurde zur Pfarrkirche umgewidmet. 1873 schließlich wurde der Westflügel der ursprünglichen mittelalterlichen Klausur wegen Baufälligkeit abgetragen. Die Gebäude befanden sich bis 1919 in der Verwaltung und Nutzung der kath. Pfarrgemeinde Grüssau. In diesem Jahr siedelten sich in den Klostergebäuden die aus ihrem Kloster Emmaus in Prag vertriebenen deutschen (Beuroner) Benediktiner an, die das Klostergebäude 1923 nach teilweise konfrontativ geführten Verhandlungen vom deutschen Staat erwerben konnten. 1924 erfolgte die Wiedererhebung des Konvents zur Abtei. In kürzester Zeit gelang es den hier ansässigen Mönchen ein bedeutendes intellektuelles Zentrum von internationaler Bedeutung zu installieren (Verlag für Liturgik, Edition mittelalterlicher christlicher Autoren). Grüssau wurde zu einem der wichtigsten Zentren der Erneuerung der katholischen Lithurgik in Deutschland. Die Mönche konnten außerdem den Zustand der beiden Kirchen entscheidend verbessern (Wiederaufbau des 1913 abgebrannten Nordturmes der Marienkirche, Anschaffung eines neuen, 7 Glocken umfassenden Geläutes für diese, Freilegung der übermalten Willmann-Fresken der Josephskirche). Besondere Verdienste um die Erforschung der Abteigeschichte und das historische Erbe der Grüssauer Zisterzienser sowie des zugehörigen Stiftslandes erwarb sich ab 1919 der aus Südtirol stammende und aus dem Emmaus-Kloster in Prag mit umgesiedelte Pater Nikolaus von Lutterotti, der Prior, Archivar und Bibliothekar in Kloster Grüssau wurde.

Mit dem Jahre 1940 begann eines der finstersten Kapitel der Klostergeschichte. Damals wurde das Klostergebäude bis auf geringe Reste, in denen der Konvent zusammengedrängt hausen musste, beschlagnahmt und erst als Internierungslager für Juden aus Breslau du anderen Ländern (ca. 800 Personen), dann als Auffanglager für deutsche Umsiedler aus der Bukowina genutzt. Ab März 1943 bis November 1944 wurde das Lager für Verschleppte aus Lothringen sowie dem Elsass und im Winter 1944/45 für Ungarndeutsche verwendet, die als „Gäste des Führers“ besonders beschützt wurden. Diese nicht baugerechte Nutzung führte zu Umbauten und Schäden am Gebäude (u. a. am Dachstuhl). Gegen Ende des 2. Weltkrieges wurden auf den Emporen der Marienkirche bedeutende, heute die sog. „Berlinka“ in der Jagiellonenuniversität in Krakau bildende Teile der Preußischen Staatsbibliothek gelagert. Sämtliche Insassen wurden am 7. Mai 1945 zur Flucht ins nahe Sudetenland gezwungen.

1940–1945 mussten alle Mönche, soweit sie nicht zum Kriegsdienst eingezogen worden waren, das Kloster verlassen. Vierzehn Mönche verloren ihr Leben als Kriegsteilnehmer, was etwa einem Viertel der Kommunität entsprach. Die übrigen Mönche kehrten nach Kriegsende in das Kloster zurück, wurden jedoch am 12. Mai 1946 soweit deutschstämmig zusammen mit den deutschen Ortsbewohnern vertrieben. Das bedeutete das Ende der Benediktinerabtei. Abt Albert Schmitt hatte Grüssau zusammen mit den älteren bzw. kranken Mönchen bereits im Januar 1945 verlassen. Er gründete 1947 für seinen Konvent die Abtei Grüssau in Bad Wimpfen im Bistum Mainz.

In dieser Situation kann man es als einen Glücksumstand bezeichnen, daβ die Abtei der deutschen Benediktiner von den durch die kommunistischen Herrscher ebenfalls aus ihrem über Jahrhunderte gepflegten Allerheiligen-Kloster in Lemberg vertriebenen Benediktinerinnen mit lateinischem Ritus übernommen werden konnte. Sie bemühten sich fortan, das überlieferte Kulturgut zu schützen. Besondere Verdienste erwarben sich auf diesem Gebiet Schwester Aloisa und die bis vor Kurzem im Rahmen des Konvents für die im Kloster befindlichen Kulturdenkmäler zuständige Schwester Scholastika. Angeleitet wurden die Ordensschwestern von Prior Nikolaus von Lutterotti (1892-1955), dem Archivar des Klosters der wegen seiner italienischen Staatsangehörigkeit zusammen mit vier weiteren Mitbrüdern anderer Nationalitäten nicht aus Kloster Grüssau vertrieben worden war und bis 1954 auch die Seelsorge für die zurück gebliebenen Deutschen fortführen durfte. Da jedoch der polnische Geheimdienst vermutete, dass in der Umgebung noch weitere deutsche Kulturgüter gegen Kriegsende versteckt wurden, wurden die genannten Mönche 1954 intensiv verhört, von Lutterotti sogar gefoltert und dann alle ausgewiesen.

Unter dem Eindruck der o.g. Ereignisse fassten die Benediktinerinnen den Entschluss, den deutschen Klosterarchivbestand möglichst geschlossen zu verbergen. So wurden die Archivalien auf fast alle Räume der Klausur verteilt, d.h. sowohl auf die Zellen als auch auf geeignete andere Räume.

Nach der politischen Wende von 1989 nahm die religiöse Bedeutung Grüssaus als Wallfahrtsort wieder zu. Am 2. Juni 1997 wurde das Grüssauer Gnadenbild durch Papst Johannes Paul II. gekrönt und am 11. August 1997 in Anwesenheit hoher geistlicher Würdenträger abermals inthronisiert. Bis der in den hinteren Winkeln des Klosters Grüssau schlummernde verstreute deutsche Archivbestand von den Nonnen hervorgeholt wurde, sollte es allerdings noch bis in unsere Tage dauern. Als Ergebnis einer von Schwester Scholastyka mit dem Einverständnis der Äbtissin Regina Szewczyk kontinuierlich durchgeführten Aktion vergrößerte sich, nachdem die ersten Dokumente zum Vorschein gebracht waren, der Teilbestand ständig. Eine einleitende Inventarisierung des hervorgebrachten deutschen Archivbestands konnte dann in den Jahren 2014/2015 von der polnischen Germanistin Magister Urszula Ososko, dem Historiker und Vertreter des deutschen Generalkonsulats in Breslau Magister Rainer Sachs, Schwester Scholastyka und Piotr Ososko durchgeführt werden und diente als Voraussetzung für die Realisierung des von der DPS unterstützten Inventarisierungsprojekts.

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Die erste Durchsicht des Archivbestands 2014/15 hatte ergeben, dass das Archiv des ehemaligen Archipresbyerats Landeshut offensichtlich relativ vollständig überliefert ist. Deshalb wurde der Beschluss gefasst, diesen Bestand bedeutend intensiver als ursprünglich geplant zu bearbeiten. Eine Beschränkung auf die anfänglich nur geplante Verzeichnung der Titel der einzelnen Faszikel hätte keinesfalls ausgereicht, den Bestand auf eine künftige Nutzung durch die Öffentlichkeit vorzubereiten. Eine im Rahmen der Vorsichtung aus dem Historiker R. Sachs vom Generalkonsulat in Breslau, Urszula Ososko und deren Mann gebildete Arbeitsgruppe hatte sich bereits mit der Einschätzung und Rekonstruktion der einzelnen Faszikel befasst sowie mit der Nummerierung der Seiten. Hierfür wurde die sog. Sachliche Numerierung gewählt (d.h. völlig unbeschriebene Seiten erhielten keine Nummer). Im Rahmen dieser Aktion konnten 271 Faszikel mit vorläufigen Nummern versehen werden, die die Grundlage der Ordnung des Bestands nach Abschluss der Inventarisierung gebildet haben.

Der Erhaltungszustand der zu bearbeitenden Archivalien ist als grundsätzlich gut zu bezeichnen. Es konnten weder Schäden durch feuchte Lagerung noch mikrobiologische Schäden festgestellt werden. Eine schwerwiegende Beschädigung erfolgte dadurch, dass nahezu alle Siegel und Briefmarken, mehrere tausend, nach 1945 aus den Akten herausgeschnitten wurden. Dabei wurden zahlreiche Akten auseinandergetrennt, wodurch ein Bestand von tausenden aus ihrem Kontext gerissenen Blättern entstand. Wegen der zahlreichen aus dem Kontext gerissenen Seiten war die korrekte Inventarisierung des zu bearbeitenden Archivbestands schwierig und zeitraubend. Ein Versuch, die Akten wenigstens teilweise wieder herzustellen wird Jahre dauern und muss einer detaillierten, durch das erstellte Inventar erst ermöglichten Bearbeitung des Bestandes vorbehalten bleiben.

Der mit der DPS als Maßnahmenträger geförderte Inventarisierungsteil mit rund 1.600 Faszikeln (über 20 laufende Meter) wurde wiederum von Magister Urszula Ososko aus Kłodzko und Mitarbeit des Historikers Magister Rainer Sachs bestritten. Finanziert wurde dieses im Zeitraum Herbst 2015 bis Mitte Januar 2016 realisierte Projekt mit Mitteln der Beauftragten für Kultur und Medien der deutschen Bundesregierung und einer zweckgebundenen Spende der Erika-Simon-Stiftung in Rinteln sowie der DPS als Maßnahmenträger. Darüber hinaus erfuhr das Projekt logistische Unterstützung durch die Generalkonsulin Elisabeth Wolbers, Leiterin des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland in Breslau. Hilfreich waren außerdem das Engagement und die fachliche Unterstützung des Staatsarchivs in Breslau, insbesondere des Leiters der Filiale in Hirschberg, Magister Ivo Łaborewicz, ohne den das Projekt nicht so zügig vorangekommen wäre und der auch die technische Abnahme der Inventarisierungsleistung vornahm, zu der es eine beschränkte Ausschreibung gegeben hatte, aus der Urszula Ososko erfolgreich hervorging.

Die inventarisierten Archivalien gehörten ursprünglich eigenständigen Archiven an, und nach diesen ist der Bestand wieder wie folgt gegliedert:

I) Archiv des Archipresbyterats Landeshut (198 Faszikel)

II) Archiv der deutschen katholischen Gemeinde in Grüssau, Kr. Landeshut (248 Faszikel)

III) Archiv der deutschen katholischen Gemeinde in Neuen, Kr. Landeshut (488 Faszikel)

IV) Archiv des Benediktinerklosters in Grüssau und einer kleinen Anzahl von noch aus dem Kloster Emmaus in Prag stammenden Dokumenten (536 Faszikel)

V) Archivalien unbekannter Provenienz (62 Faszikel)

VI) Sammlung von über einhundert Projekten und Plänen (88 Faszikel).

 

Die Materialien der Archive lassen sich inhaltlich gliedern in die Rubriken Generalia, Verwaltungsangelegenheiten, Finanzwesen, Visitationen, Gebäude, Geistiges Leben, Musik, Bibliotheken, Personalsachen, Schulsachen, Varia.

Nur ausnahmsweise reicht der wiederentdeckte Archivbestand auf die Existenzzeit des Zisterzienserklosters in Grüssau zurück. Älteste Archivalie ist das Fragment eines Kaufbriefs aus der Umgebung von Meran von 1436. Der überwiegende Teil des inventarisierten Archivbestands entstammt dem 19. und 20. Jh.

Bestandteil des geförderten Inventarisierungsprojekts ist die Online-Stellung des inventarisierten Archivbestands durch U. Osowsko und R. Sachs mit Auflistung der Faszikel inkl. Maßangaben und umfangreichen Erläuterungen auch zur Inventarisierungssystematik, die hier zur Vorstellung und Dokumentation des DPS-Förderprojekts zu einem großen Teil übernommen werden konnten, wofür die DPS an dieser Stelle den Autoren des Inventars namentlich U. Ososko und R. Sachs ausdrücklich dankt. Die Archivalien sind den o.g. Archiven zugeordnet und jeweils in Polnischer und Deutscher Sprache verzeichnet. Zu finden ist der inventarisierte und von Ososko und Sachs erläuterte umfangreiche Archivbestand auf der Internetseite (Link: http://benedyktynki-krzeszow.pl/archiwum ) des Benediktinerinnenklosters Grüssau.

Weiterer Bestandteil der Fördermaßnahme ist die Unterbringung und Zugänglichmachung des bearbeitenden Archivbestands für Interessierte in einem aus zwei geeigneten Räumen bestehenden Archiv (Archivraum, in dem das inventarisierte Material in säurefesten Kartons zugänglich eingelagert ist, und Lese- und Arbeitsraum) im zweiten Stock des Kloster-Südflügels (gegenüber der Bibliothek). Nähere Informationen zu der seit dem 26. Mai 2016 möglichen Nutzung des Archivs sind der Internetseite des Klosters wiederum unter dem Link http://benedyktynki-krzeszow.pl/archiwum zu entnehmen. Am 25. Mai 2016 feierte Äbtissin Regina mit zahlreichen polnischen und deutschen Teilnehmern und in Anwesenheit von Generalkonsulin Elisabeth Wolbers im Kloster Grüssau die offizielle Eröffnung des Archivs.

Der mit Hilfe der DPS inventarisierte und damit erhaltene deutsche Archivbestand ist Teil eines größeren Konzepts, das in kleinen Schritten die komplette Restaurierung der im Besitz des Klosters befindlichen Kulturschätze, sowohl der deutschen, als auch der polnischen, vorsieht. In Zusammenarbeit mit der Fakultät für Restaurierung der Universität Thorn wurden bisher aus der deutschen Zeit stammendes Barockmobiliar und ein figuraler Bienenstock, aus der polnischen Zeit u. a. die Porträts der Lemberger Äbtissinnen und das Gradual des Klosters, restauriert. Der derzeit im Benediktinerinnenkloster in Grüssau betreute Archivbestand aus der deutschen Zeit ist nur ein Teil der in diesem Kloster im Ziedertal aufbewahrten Kunst- und Kulturschätze. Die aus Lemberg von dem Konvent mitgebrachten Archivalien des dortigen Benediktinerinnenklosters harren noch einer wissenschaftlichen Bearbeitung, die aus beiden genannten Überlieferungssträngen stammenden Kunstwerke werden durch eine von dem Leiter der Niederschlesischen Filiale in Breslau des Nationalen Zentrums für Denkmälerdokumentation Dr. Grzegorz Grajewski geleiteten Arbeitsgruppe, die Musikalien durch Mgr. Grzegorz Joachimiak im Rahmen des von Prof. Dr. habil. Marek Derwich initiierten Sonderforschungsprojektes „Das kulturelle Erbe der säkularisierten Klöster in der ehemaligen Polnischen Republik und Schlesien im 18. und 19. Jahrhundert“ inventarisiert. Erst nach Abschluss aller dieser Initiativen kann der ganze kulturelle Reichtum dieses in Schlesien einmaligen Archivbestands der interessierten Öffentlichkeit vollständig zugänglich gemacht werden.

 

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Die Grüssauer Akten dokumentieren den Fall katholischer Geistlicher nach der Säkularisierung, beispielweise in einem Verzeichnis der ehemaligen Funktionsträger des Grüssauer Konvents und lassen deren weiteres Schicksal aus den Jahren 1813/1814 (II/163)9 erahnen, eine bedeutende materielle Hinterlassenschaft, welche sowohl die katholische Kirche (I/172, I/177, I/187, II/8, II/35, II/37f., II/131ff., II/283, III/11, III/288) als auch der preußische Staat (I/57) den Rahmenbedingungen entsprechend möglichst gut zu verwerten versuchte und eine große Legende, die natürlich, wie sollte es anders sein, auch Schatzsucher anzog (II/121). Eine der wichtigsten der zahlreichen Vorteile, den der Grüssauer Bestand der Forschung bietet, besteht darin, dass er den Zustand des Klosters und seines Umfeldes in vielfacher Hinsicht manchmal kurz vor (I/75, I/85ff., I/97f., I/188, I/203f., III/35), vor allem aber nicht lange der nach der Säkularisierung (I/64, I/70ff., I/76, I/90ff., I/173, I/99, I/200, III/40ff., III/290ff., III/350) belegt.

Für die Kunstgeschichte der Abtei werden vor allem die Akten, welche die Geschichte der einzelnen Bauten (I/95f., I/159f., II/108ff., II/122ff., III/445, III/460, VI/41) und der Ausstattungsstücke (II/115, II/118), so beispielsweise der Engler-Orgel der Klosterkirche (II/116f.) belegen, von besonderem Wert sein. Unterlagen zur Restaurierung der Englerorgel (1736) von 1743 in der Klosterkirche sind ebenso von Interesse wie historische Baupläne, darunter ein interessanter Grundriss des Klosters Grüssau, der von dem jüdischen Architekten Paul Israel Ehrlich angefertigt wurde. Bemühungen, die vor der Neugründung eines Klosters durch die aus dem Prager Emmaus-Kloster vertriebenen deutschen Benediktiner weitgehend ungenutzten Räumlichkeiten einer möglichst sinnvollen Nutzung zuzuführen, spiegeln sich beispielweise in dem 1851 unternommenen Versuch wieder, in ihnen ein katholisches Priesterseminar einzurichten (II/19).

Eine entscheidende Schicksalswende für den Grüssauer Klosterkomplex brachte das Jahr 1919 mit dem schon erwähnten Einzug der Prager Benediktiner. Endgültig gesichert war deren Verbleib in Grüssau aber erst im Jahre 1923 (IV/32), denn aufgrund überhöhter finanzieller Forderungen des preußischen Staates beabsichtigte der Konvent bis dahin, das gerade erst bezogene Domizil wieder zu verlassen und sich auf einem vom ehemaligen sächsischen König Friedrich August III. (1865–1932) als Schenkung in Aussicht gestellten Terrain in Langewiese zwischen Breslau und Öls in einem Neubau, für den von dem Berliner Architekten Wilhelm J. Frydag schon Projekte erarbeitet worden waren (IV/203f.) anzusiedeln. Der Umstand, dass der rasante Aufschwung des Klosters hatte allerdings auch seine Schattenseiten – so dürfte beispielweise das vehemente politische Engagement des Abtes Albert Schmitt (1894–1970) für die monarchistische Bewegung in Deutschland (IV/1) nur schwer mit dem Mönchsideal des Hl. Benedictus in Übereinklang zu bringen sein. Wie wenig sich das Kloster dem Druck der NS-Zeit widersetzen konnten, dokumentieren die Beschlagnahme der überwiegenden Zahl der Räumlichkeiten des Klosters (IV/35f., IV/516), u. a. als Internierungslager für Breslauer Juden (IV/33f., IV/37), die später größtenteils im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet wurden, gegen die sich der Konvent vergeblich gewehrt hatte (IV/38), die Einziehung zahlreicher Brüder zur Wehrmacht (IV/348) oder die Teilnahme an Rohstoffsammlungen zugunsten der deutschen Rüstungsindustrie (IV/68f.). Dieser Umstand sollte allerdings nicht den Blick für die enormen Aufbauleistungen am übernommenen Kulturgut (IV/61f., IV/207, IV/217, IV/517, IV/561, IV/573) und dessen Erforschung verstellen, denn noch heute geht beispielsweise nahezu unser ganzes Wissen zur Kunstgeschichte des Klosters auf leider nicht vollendete Forschungen (IV/569f.) von dessen Archivar Bruder Nikolaus von Lutterotti (1892-1955) zurück (IV/399ff.). Als besonderes Glück ist es zu werten, dass sich die Editionsunterlagen von Pater Franciscus Salesius Schmitt, dem Herausgeber der opera omnia des Vaters der Scholastik Anselm von Canterburry (gest. 1109) erhalten haben (IV/419ff.).

Zu den wenigen Stücken aus dem ehemaligen Zisterzienserbestand gehören offensichtlich zwei großformatige mit Bleistift gezeichnete Karten aus dem Jahre 1701, welche Fragmente des Besitzstandes des Priorats in Warmbrunn, Kreis Hirschberg, dokumentieren (VI/1f.). Zu den weiteren kultur- und regionalgeschichtlichen Höhepunkten dieses Sammlungsteiles ist auch zweifellos ein überwiegend aus dem 18. Jahrhundert stammender relativ großer Bestand von Handzeichnungen der im Klosterbesitz befindlichen Fischteiche der Umgebung zu zählen (VI/5ff.), der durch zahlreiche Projekte und Inventarisierungszeichnungen aus dem 19. und vor allem dem 20. Jahrhundert ergänzt wird (VI/47ff.).

Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass der im heutigen Benediktinerinnenkloster Grüssau der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellte Bestand, mit Auflistung und Erläuterungen auf der Internetseite der Abtei, neben wenigen, aber wichtigen Archivalien der Zisterzienserzeit, die heute sonst im Staats- und im Erzdiözesanarchiv, beides in Breslau, aufbewahrt werden, vor allem die durch die letztgenannten Unterlagen nicht abgedeckte Zeit von der Säkularisierung im Jahr 1810 bis zur Vertreibung fast des ganzen deutschen Benediktinerkonvents im Jahre 1946 und somit einen wichtigen Abschnitt des nicht nur für Schlesien bedeutenden Klosterkomplexes dokumentieren.

Der vorliegende deutsche Archivbestand besitzt eine nicht zu unterschätzende wissenschaftliche Bedeutung. Angesichts der Tatsache, dass zahlreiche Umstände der Säkularisierung des Zisterzienserklosters Grüssau, das zu den bedeutendsten seiner Art in Schlesien gehörte, durch den Bestand detailliert dokumentiert werden (u.a. Verzeichnis der an andere Nutzer abgegebenen Kunstwerke des Klosters oder Verzeichnis der aus dem Kloster vertriebenen Mönche mit Angaben zu ihrem weiteren Lebensweg, hunderte von Visitationsberichten) kann in Zukunft keine seriöse Geschichte der Säkularisation in Schlesien unter Übergehung dieses Bestands geschrieben werden. Auch die Geschichte der einzelnen Aspekte des Lebens der Bewohner des Archipresbyterats Landeshut werden in einer in Schlesien sonst nur selten erreichten Dichte und Intensität dokumentiert.

Die Aufarbeitung o.g. Archivalien ist bedeutend, nicht nur, weil es sich hier um Restbestände eines ehemaligen Klosters handelt, sondern dieser Bestand auch eine der umfangreichsten Sammlungen für die Kirchengeschichte im Erzbistum Breslau bietet. Nach Meinung von Experten gehört er in vielerlei Hinsicht zu den wichtigsten in Schlesien.

Der größte Lohn für die Autoren des Inventars und die anderen an dem Projekt Beteiligten dürfte es sein, wenn der besprochene Archivbestand die ihm zukommende Stellung bei der wissenschaftlichen Untersuchung zahlreicher Fragestellungen einnehmen würde.

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  • mgr Urszula Ososko, Kłodzko (polnische Germanistin, die den deutschen Archivbestand inventarisiert hat)
  • Rainer Sachs M.A., Breslau, (Historiker und Vertreter des deutschen Generalkonsulats in Breslau, der an der Inventarisierung des deutschen Archivbestands maßgeblich mitgearbeitet hat)
  • mgr Ivo Łaborewicz Staatsarchiv in Breslau, Leiter der Filiale in Hirschberg (fachliche Betreuung des Projekts)
  • Konvent der Benediktinerinnen in Grüssau (Opactwo Sióstr Benedyktynek w Krzeszowie, Plac Jana Pawła II 5, PL –58-405 Krzeszów), Mutter Priorin Regina Szewczyk OSB (Eigentümer)
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  • Sachs, Rainer: Grüssau öffnet sein Archiv, in: Schlesien heute, Heft 7/2016, S. 22f.
  • Steinsträßer, Inge: Wanderer zwischen den politischen Mächten. Pater Nikolaus von Lutterotti OSB (1892–1955) und die Abtei Grüssau in Niederschlesien Böhlau Verlag 2009
  • Dehio-Handbuch der Kunstdenkmäler in Polen Schlesien. München/Berlin 2005, S. 495–503
  • Dziurla, Henryk; Kořán, Ivo; Wrabec, Jan : Kreszów – Europejska Perła Baroku. Grüssau – Die europäische Barockperle. Legnicka Kuria Biskupia, Legnica 2001
  • Kudera, Dorota : Kloster Grüssau. Dülmen 1997
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