SCHÖNWALDAU / RZĄŚNIK
Von der Deutsch-Polnischen Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz 2011 unterstütztes Wiederherstellungsprojekt.
Das ehemalige Bethaus war zuletzt zur Ruine heruntergekommen und drohte von seinem privaten Eigentümer abgerissen zu werden. Der Initiative der Eigentümerin von Schloss Lomnitz / Lomnica und dem Verein zur Pflege der Schlesischen Kultur ist es zu verdanken, dass die Kraftanstrengung unternommen wurde, den Fachwerkbau abzutragen, um im historischen Schlosspark von Lomnitz fachgerecht wiedererrichtet zu werden. Dank einer großzügigen privaten Spende aus Deutschland an die Deutsch-Polnische Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz konnte diese 2011 einen ersten Bauabschnitt mitfinanzieren, der die Errichtung der neuen Fundamente zum Inhalt hatte Die Wiederherstellungsmaßnahmen waren auf mehrere Jahre angelegt und wurden 2020 abgeschlossen. Das ehemalige Bethaus dient als Ausstellungsort, als Hochzeitskirche und für andere kulturelle Veranstaltungen.
In Schlesien prägten die evangelischen Bethäuser in ihrem schlichten barocken Baustil, zunächst überwiegend in Fachwerkbauweise ausgeführt und später in massiver Steinbauweise errichtet, das Ortsbild der schlesischen Dörfer – zusammen mit den meist älteren katholischen Kirchen. Mit Beginn der preußischen Herrschaft in Schlesien ab 1742 waren innerhalb kürzester Zeit über 200 Bethäuser entstanden, errichtet durch die evangelische Bevölkerung, der unter den Habsburgern bis dahin der Bau eigener Gotteshäuser weitestgehend verwehrt worden war. Nach 1945 verfielen viele Bethäuser, da sie nicht mehr genutzt wurden, ein großer Anteil wurde abgerissen.
Bis zum Jahr 2008 befand sich in Rzasnik/Schönwaldau im Bober-Katzbachgebirge zwischen Hirschberg/Jelenia Gora und Jauer/Jawor das letzte Bethaus der Region Niederschlesien/Dolny Slask, das noch im Fachwerkstil errichtet worden war. Im Sommer 2008 sollte dieses Bethaus wegen Baufälligkeit abgerissen werden, auch um Platz zu schaffen für den Neubau einer Lagerhalle. Um den völligen Verlust des Bethauses zu verhindern, wurde eine aus der Notlage heraus begründete Translozierung des Bethauses von Schönwaldau in das etwa 25 km entfernte Lomnitz/Lomnica im Hirschberger Tal beschlossen, um dort das Gebäude an neuem Standort auf dem Gelände des Dominium Lomnitz /Lomnica wiederaufzubauen.
Mit der Reformation, die sich in Schlesien zunächst relativ zügig durchsetzte, wurden die ursprünglich katholischen Kirchen zu evangelischen Gotteshäusern umgewandelt. Mit der von den Habsburgern betriebenen Gegenreformation verloren die Protestanten ihre Gotteshäuser und waren starken Unterdrückungen ausgesetzt. Gestattet wurde den Protestanten in Schlesien zunächst nur der Bau der drei Friedenskirchen, von denen heute noch die in Jauer und Schweidnitz erhalten sind, beide in Fachwerkbauweise errichtet. Mit der etwa 60 Jahre später erfolgten Genehmigung zum Bau von sechs Gnadenkirchen gelang es, einige wenige Ausnahmen von der totalen Beschränkung zu erringen. Diese waren aber weitaus nicht genügend für den großen Bedarf an Gotteshäusern für die evangelischen Gläubigen.
Erst mit der Glaubensfreiheit unter dem preußischen König Friedrich dem Großen konnte jede Kirchengemeinde ein eigenes Gotteshaus errichten. Allerdings gab es Beschränkungen beim Bau, so durften z.B. keine Kirchtürme errichtet werden, daher wurden diese Gotteshäuser Bethäuser genannt.
Das Bethaus von Schönwaldau/Rzasnik wurde 1748 als Fachwerkgebäude errichtet. Anders als viele ähnliche Fachwerkbethäuser, die später durch massive Steingebäude ersetzt worden waren, blieb dieses Bethaus bis zum Jahr 1919 in seinem Originalzustand erhalten, bis es durch einen Blitzschlag niederbrannte. Trotz der damaligen wirtschaftlichen Not gelang es der Kirchengemeinde im Jahr 1923, das Bethaus in der ursprünglichen Bauform unter Anwendung zeitgemäßer Bautechniken wiederaufzubauen. Dabei gelang es in stilistisch überzeugender Weise, die barocke Formsprache, Farbigkeit und schlichte Eleganz eines einfachen Fachwerkbethauses wieder entstehen zu lassen. Es ist zu vermuten, dass dabei der bekannte letzte deutsche schlesische Landeskonservator Prof. Günther Grundmann mitgewirkt hat. Von Grundmann stammt auch das in Öl gemalte Altarbild des wiederaufgebauten Bethauses, das durch besondere Umstände nach dem Krieg in die Bundesrepublik gelangt ist.
Die Nutzung als Gotteshaus war dem wiederaufgebauten Bethaus in Schönwaldau nur für wenige Jahre vorbehalten. Nach 1945 stand das Bethaus leer und wurde anschließend als Lagerhalle für Obst und als Werkstatt für Traktoren genutzt. Diese Nutzung endete in den 90iger Jahren, als infolge fehlender baulicher Unterhaltung ein Großteil des Daches einstürzte. Kurz bevor der private Eigentümer den Abriss und damit die völlige Beseitigung des Bethauses vornehmen wollte, gelang es, das Gebäude für eine Translozierung in das Kulturzentrum Schloss Lomnitz/Lomnica zu erwerben, wo es als Bethaus aus Schönwaldau/Rzasnik auf dem Gelände des Dominium Lomnitz/Lomnica wiedererrichtet werden soll. 2008 wurde das Bethaus in Schönwaldau mit größtmöglicher Sorgfalt demontiert und sämtliche Bauteile nach Lomnitz/Lomnica transportiert. Nach Jahren erfolgreichen fachgerechten Wiederaufbaues konnte das translozierte Bethaus 2020 im Schlosspark Lomnitz seiner neuen Bestimmung übergeben werden.
Das Bethaus war in Fachwerk-/Ziegelbauweise errichtet mit einem Krüppelwalmdach in Schiefereindeckung. Das etwa 22m lange und 12m breite Kirchengebäude mit rechteckigem Grundriss verfügte über einen ca 200 qm großen Innenraum mit Altarbereich und zwei Emporen rechts und links. Die Innendecke war als Tonnengewölbe konstruiert. Vor dem Hauptraum befand sich ein kleiner Eingangsbereich und rechts und links kleine Treppenhäuser mit den Aufgängen zu den Emporen. Das Gebäude hatte sich im Zeitpunkt vor der Translozierung in einem sehr schlechten baulichen Zustand befunden, ein Großteil des Daches war schon eingestürzt und auch die Außenwandkonstruktionen befanden sich in sehr instabilen Zustand mit deutlich sichtbaren Neigungen nach Außen. Von dem Tonnengewölbe war nur noch ein kleiner Teil über dem Altarraum und der Orgel erkennbar. Gut erkennbar war dagegen noch die Innenausmalung, vor allem im Emporenbereich. Ein Teil der Sprossenfenster war zugemauert. Noch im originalen Zustand erhalten geblieben sind die beiden zweiflügligen Eingangstüren, die jedoch stark restaurierungsbedürftig waren. Die Innenausstattung war nicht mehr vorhanden, jedoch eines der zwei Dachkreuze, welches aus den Trümmern des Daches geborgen werden konnte.
Durch den zunehmenden Verfall und Abriß zahlreicher Bethäuser ist der vollständige Verlust dieser einst stark die schlesische Kulturlandschaft prägenden Baudenkmäler zu befürchten. Im überwiegend katholischen Polen wurde lange Zeit dem Schicksal der ehemals evangelischen Gotteshäuser keine Beachtung geschenkt, so daß sie dem Verfall preisgeben waren. Hier ist auf einen Bewusstseinswandel im Umgang mit diesen Baudenkmälern hinzuarbeiten, damit die Bethäuser, soweit sie noch vorhanden sind, als erhaltenswertes gemeinsames kulturelles Erbe wahrgenommen werden.
Diese Aufgabe hat die Rettungsaktion für das Bethaus von Schönwaldau, die unter großem Interesse der Öffentlichkeit stattfindet, übernehmen können. Mit dem Wiederaufbau des Bethauses wird der Wert und die Ästhetik der schlesischen Bethäuser modellhaft vor Augen geführt, und dadurch, so die Hoffnung, Motivation und Anstoß für weitere Rettungsmaßnahmen an den wenigen noch vorhandenen, oft sehr bedrohten Bethäusern der Region bewirkt. Das Bethaus von Schönwaldau ist, nachdem es jetzt in Lomnitz/Lomnica steht, das letzte Beispiel eines Fachwerkbethauses in Niederschlesien und dadurch gerade auch im Kontext mit den in der Region befindlichen Friedens- und Gnadenkirchen ein wichtiger Bestandteil im Gesamtbild der Kulturlandschaft Schlesiens sein.
Der Zustand des Gebäudes vor dem Abbau war geprägt von der großflächigen Zerstörung des Dachstuhles und massiven Bauschäden infolge eindringender Feuchtigkeit sowie erheblicher Schädigung der Holzkonstruktion. Ebenfalls führte die Umnutzung des Gebäudes nach 1945 zu teilweise massiven Eingriffen in die Bausubstanz im Inneren des Gebäudes.
Mit der Demontage konnten von der Originalbausubstanz ein Großteil des Ziegelmauerwerks sowie die Holzelemente der Außenwände und weniger Teile des Dachstuhles geborgen werden. Ebenfalls gesichert wurden die Außenfenster und die Eingangstüren. Die Innenwandbemalung wurde fotografisch und zeichnerisch gesichert und durch Putzproben dokumentiert. Beim Wiederaufbau fanden originale Bauteile soweit möglich Wiederverwendung, wobei jedoch infolge der teilweise gegebenen starken Schädigung ein teilweiser Austausch der Holzelemente der Fachwerkkonstruktion erforderlich wurde.
Die Fördermaßnahme hatte die Errichtung neuer Fundamente als erste Etappe des Wiederaufbaues zum Inhalt. Die geborgenen historischen Holzkonstruktionselemente lagerten in einer Scheune am Schlosspark zur Wiederverwendung.
Ziel des Bauvorhabens war der vollständige Wiederaufbau des Bethauses an seinem neuen Standort in Lomnitz/Lomnica auf dem Gelände des Kulturzentrums Schloss Lomnitz als neuer Bestandteil des dortigen Gutshof-Museumskomplexes. Das Bethaus, 2020 vollständig wiedererrichtet, wird als öffentlich zugängliches Denkmal genutzt, als Ort der Begegnung von Deutschen und Polen, für ökumenische Zwecke und kirchliche Feiern sowie allgemein für kulturelle Veranstaltungen.
Im Vorfeld der Demontage des ehem. Bethauses, die im Jahr 2008 stattfand, war bereits eine Baubestandsaufnahme durchgeführt und eine Projektplanung für den Wiederaufbau eingeleitet worden. Die Demontage erfolgte unter fachlicher Anleitung eines deutsch-polnischen Expertenteams darunter auch Fachleute für Translozierungmaßnahmen und Kirchenbau. Die Standortgenehmigung der Gemeinde lag vor.
Das Denkmalprojekt soll als ein Beitrag zur Völkerverständigung zwischen Deutschland und Polen zu verstehen sein und wurde daher von der Deutsch-Polnischen Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz einmalig mit der Fundamentewiederherstellung unterstützt.
Für den 1, Bauabschnitt des in mehreren Etappen geplanten Wiederaufbaues des Schönwaldauer Bethauses, das als gemeinsames europäisches Kulturerbe für zukünftige Generationen bewahrt werden soll, konnte die Deutsch-Polnische Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz zweckgebundene Spenden von über 20.000 Euro einwerben.
- Bauliche Bestandsaufnahme: Büro Forum – Projekt, Architekt Piechocki, Jelenia Gora
- Denkmalpflegeamt der Wojewodschaft Niederschlesien, Abteilung Jelenia Gora
- Fachliche Begleitung der Demontagearbeiten: Janusz Sudakiewiec, Mitarbeiter der Restaurierungsabteilung des Muzeum Etnograficzne w Zielonej Górze , Ochla
- Zimmererarbeiten: Firma Richter und Drewanz, Niedercunnersdorf
- Zimmerer- und Tischlerarbeiten: Firma Szeszewski, Jelenia Gora
- Denkmalakademie e.V., Görlitz zunächst, dann Verein Görlitzer Fortbildungszentrum für Handwerk und Denkmalpflege e.V.
- Projektplanung: A Projekt, Architekt Zbigniew Zbyszynski, Jelenia Gora
- Ökumenische Betreuung: Pastor Suchorab evangelische Kirche, Ksiazcancler Josef Lisowski- Bistum Legnica
- Öffentlichkeitsarbeit: Elisabeth v. Küster
- Bauherr: Palac Lomnica Sp z. o.o.