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SCHLAGENTHIN / SŁAWĘCIN

Der hölzerne Turm der Kath. Filialkirche „Muttergottes von Ostra Brama (Muttergottes im spitzen Tor)“ in Schlagenthin / Sławęcin in der Woiwodschaft Lebus / Lubuskie hatte sich immer weiter geneigt und gedroht, auf den Westgiebel des Kirchenschiffs zu stürzen. Mit Hilfe der Deutsch-Polnischen Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz konnte die Gefahr 2014/15 beseitigt werden.

Förderprojekt 2014 der Deutsch-Polnischen Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz (DPS) als Maßnahmenträger für die Teilmaßnahme Erneuerung Holzverschalung Turm mit Mitteln der Beauftragten der deutschen Bundesregierung für Kultur und Medien. Der Turm aus dem Ende des 17. Jhs. der vormals protestantischen Dorfkirche drohte durch Schiefstellung auf das Kirchenschiff zu fallen.

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Schlagenthin / Sławęcin ist ein altes Kirchdorf in der Gemeinde Arnswalde  / Choszczno in der polnischen Woiwodschaft Westpommern (Województwo Zachodniopomorskie). Schlagenthin liegt in der ehem. Neumark, etwa sechs Kilometer nördlich der Stadt Arnswalde und 57 Kilometer südöstlich der Woiwodschaftshauptstadt Stettin / Szczecin.

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Im Zeitraum von mindestens 1333 bis 1752, d.h. über 400 Jahre lang, war das Dorf Schlagenthin ein Lehen der Familie Blankensee gewesen. Blankensee ist der Name eines neumärkischen Uradelsgeschlechts, das einflussreich und mächtig war. Zweige der Familie, die sich auch nach Pommern und Posen ausbreitete und von der Glieder in der kursächsischen, der dänischen und der preußischen Armee dienten, bestehen bis heute fort.  Bernd Sigismund von Blanckensee (1693-1757), Sohn des Erbherrn Adam von Blankensee auf Schlagenthin und Margaretha von Delitz aus dem Haus Morstein bei Nörenberg, wurde nach Verwundung in der Schlacht von Kesselsdorf 1751 zum Ritter des Ordens Pour le Mérite ernannt, Regimentsinhaber der ehemaligen sächsischen Garde und stieg bis zum preußischen Generalmajor auf.

Im Jahr 1419 wurde das Dorf Schlagenthin in einem kriegerischen Konflikt zwischen dem Königreich Polen und dem Deutschordensstaat zerstört. Danach gelangte das Dorf je zur Hälfte in den Besitz der Familien Jagow und Göllnitz. Nach Vermählung eines Göllnitz 1801 mit der Erbtochter des Jagowschen Guts erfolgte die Wiedervereinigung beider Dorfhälften zu einem Gutsbetrieb. Das insgesamt 4.921 Morgen umfassende Gut wurde 1829 von Wilhelm Ferdinand Eben übernommen, der es seinem Sohn Carl Hermann vererbte. Im Zeitraum 1854-57 erbaute die Familie Eben auf dem Gutsgelände ein Schloss. Auf die Familie Eben folgten später noch andere Besitzer.

Vor 1945 gehörte Schlagenthin zum Landkreis Arnswalde, der 1938 von der Provinz Brandenburg in die Provinz Pommern umgegliedert worden war. Anfang März 1945 wurde Schagenthin von der Roten Armee besetzt. Nachdem die sowjetischen Truppen den Ehemann der Gutsbesitzerin verdächtigt hatten, einen Anschlag auf sie verübt zu haben, wurde er erschossen und das Schloss über seiner Leiche angezündet und bis auf die Grundmauern niedergebrannt.  Nach Kriegsende wurde Schlagenthin mit ganz Hinterpommern unter polnische Verwaltung gestellt. Anschließend kamen Polen in dasDorf und besetzten die Häuser und Gehöfte. Schlagenthin wurde in Sławęcin umbenannt.

Der Bau der Katholischen Filialkirche Sławęcin / Schlagenthin entstand 1521 ohne Turm und in spätgotischer Form. Die Fensteröffnungen des Schiffs wurden vermutlich im 19. Jh. vergrößert. Das Inventar der Kirche mit der Kanzel datiert von 1599 und wurde erst 1905 wiederentdeckt und zurückgeführt. Der Altar entstand zwischen 1520 und 1530 und war in der Vorkriegszeit noch mit Holzfiguren ausgestattet. Zwei Figuren waren 1909 von den Gutsbesitzern in Sławęcin, Gustav und Gertrude Otto, gestiftet worden.

Die verfügbaren Quellen übermitteln, dass der Holzturm der Kirche in Sławęcin aus dem Jahre 1695 stammt. Das Turminnere beherbergt eine Glocke aus dem Jahre 1568. Sie wurde von dem in ihrer Entstehungszeit bekannten Glockengießer aus Stargard Jost von Viesten gegossen. Der Stifter der leicht beschädigten Glocke könnte ein Patron der Kirche aus der Familie von Blankensee gewesen sein. Auf einem Balken der Glockenstuhlebene ist der Name H. Lemke eingeschnitzt. Eventuell handelt es sich, trotz der unterschiedlichen Schreibweise, um den Namen des ersten Konservators der Baudenkmäler in Pommern, Hugo Lemcke, der in den Jahren 1835 – 1925 lebte, jedoch nicht  im Gebiet des  heutigen Landkreises Choszczno / Arnswalde wirkte. Wahrscheinlich wurde der Turm während des Zweiten Weltkriegs oder kurz danach beschossen und beschädigt. Anschließend wurden nur die grundlegenden Sicherungsarbeiten durchgeführt, sodass sich der technische Zustand mit jedem Jahr verschlechterte.

Die Kirche Sławęcin war bis Kriegsende evangelische Gemeindekirche und dient seitdem als Kath. Filialkirche, die zuerst zu Choszczno / Arnswalde und später zu Piasecznik / Petznik gehörte.

hr heutiger Name „Unsere Liebe Frau von Ostra Brama“ geht auf das Tor der Morgenröte (auch spitzes Tor, polnisch Ostra Brama) zurück. Ostra Brama ist eines der wichtigsten Kultur- und Architekturdenkmäler der Stadt Vilnius. Es ist gleichzeitig ein bedeutender Wallfahrtsort für Katholiken sowie orthodoxe und unierte(d.h. griechisch-katholische) Christen. In der Torkapelle steht die als wundertätig verehrte Ikone der Barmherzigen Muttergottes. Sie wird auch als Muttergottes im Tor der Morgenröte bzw. Muttergottes im Spitzen Tor (polnisch Matka Boska Ostrobramska) bezeichnet und als Schutzheilige der Litauer und Weißrussen, aber auch von polnischen Pilgern tief verehrt.

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Das turmlose Schiff steht auf rechteckförmigem Grundriss. Die Schifffassaden sind feldsteinsichtig. Der Steinverband ist unregelmäßig und großflächig mit Putz gefügt. Das Schiffdach ist als ziegelgedecktes Satteldach ausgebildet.  Im von der Südseite erschlossenen Schiffinneren mit flacher Holzdecke ist der Originalfußboden bewahrt (ursprünglich soll der Innenraum wohl rundtonnengewölbt gewesen sein). Die Einflügeltür ist mit historischen Türschanieren und geschmiedetem Schloss ausgestattet. Das Inventar der Kirche ist geschlossen aus der Renaissancezeit überkommen, mit Muttergottes-Altar aus Lindenholz, Kanzel inkl. Schalldeckel und Taufe ebenfalls in Holz. Erhalten hat sich auch ein gründerzeitliches Harmonium  der Berliner Firma J. Straube & Co.

Der Westturm erhebt sich 14 m hoch auf quadratischem Grundriss (annähernd 6,2 x 6,2 m). Er steht auf einem Feldsteinfundament  frei als Glockenturm, jedoch in engem Abstand (von ungefähr einem Meter) zum Westgiebel des Schiffs. Das Verhältnis der Wände zur Dachhöhe beträgt 3:1. Die hölzerne Turmkonstruktion hat sich außergewöhnlich gut erhalten. Sie ist in Nadelholz gefertigt und erstreckt sich über sechs Etagen. Die konstruktiven Holzelemente sind verzapft und geblattet mit Holznägeln. Drei imposant hohe Ständer auf jeder Seite, verbunden mit Querbalken und je zwei neben-und übereinander angeordneten sich kreuzenden Diagonalstreben über unten vier und oben drei Gefache bilden das statische Gerüst des Turms. Die Turmverkleidung wurde vollständig als vertikal gegliederte Leisten-Holzbrettverschalung  in Lärche ausgeführt, in die als Öffnungen lediglich auf der im dritten Stock angeordneten Glockenstuhlebene kleine Schallluken eingelassen waren. Es ist wahrscheinlich, dass  in der Vergangenheit im Turm zwei Glocken installiert waren. Als Überdeckung erhielt der Turm ein ziegelgedecktes Walm-Zeltdach, das eine Wetterfahne mit Metallkugel bekrönt.

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Die Kirche in Sławęcin / Schlagenthin  ist mit ihrem Holzturm in der Denkmalliste der Woiwodschaft Westpommern eingetragen und ein typisches Beispiel für die Anwendung der in der Region jahrhundertealten Tradition der Holzrahmenkonstruktion.

Aufgrund seines Alters gehört  der Turm zu den wertvollsten Bauwerken dieser Art in der Woiwodschaft Westpommern. Der Holzverband der Turmkonstruktion ist außerordentlich qualitätvoll gefügt und ein hervorragendes Beispiel deutscher Zimmermannskunst im ausgehenden 17. Jahrhundert.  Dem Glockenturm der Kirche Sławęcin kommt als Bestandteil des Kulturerbes eine Bedeutung zu, die über die Woiwodschaft Westpommerns hinausgeht. Er zeugt von der jahrhundertelangen Tradition der Bauwerke in Holzbauweise, deren Bewahrung für die nachwachsenden Generationen Aufgabe jeder Gesellschaft sein sollte.

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Nach dem der Kirchturm vermutlich im respektive am Ende des Zweiten Weltkriegs beschossen und beschädigt worden war, wurden nur grundlegende Sicherungsarbeiten durchgeführt, sodass  sich sein technische Zustand mit jedem Jahr verschlechterte.

Infolge der Schädigung der Grundmauern und einer damit einhergehenden starken Neigung der Konstruktion immer mehr nach Nordosten drohte der Turm auf das Kirchenschiff zu fallen. Holzkonstruktive Verbindungen waren morsch, vor allem Ständerfußpunkte im Erdbodenbereich. Holzverschalung  und Dachdeckung waren vollkommen verbraucht.

Die Holzverschalung wies an Schalbretterverbindungen, an denen die Leisten verlustig gegangen waren, Fäulnisschäden und Schimmelbildung auf. Am größten waren die Schäden an der Verschalung im Erdgeschoss auf Höhe des Erdbodenniveaus. Wiederholte Ausbesserungen der Verbretterung mit Sekundärmaterial waren ausgereizt. Der technische Zustand der Turmfassade blieb unakzeptabel.

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Die am Turm notwendigen Bau- und Sanierungsarbeiten erforderten eine sachkundige, technische und technologische Lösung, insbesondere hinsichtlich der Stabilisierung der Konstruktion und der Reparaturen der einzigartigen Zimmererverbindungen.

Im Dezember 2012 beschloss die Kirchengemeinde mit Unterstützung des in Szczecin (Stettin) ansässigen Amtes für die Dokumentation der Denkmäler, den historischen Kirchturm zu restaurieren. Im Jahre 2013 wurden vom Marschallamt der Woiwodschaft Westpommern und Gemeindeamt Choszczno/ Arnswalde die Mittel für die Projektplanung aufgebracht. Projektausführender war der Architekt Piotr Błażejewski aus Szczecin.

Am 1. Juli 2014 wurde mit der Grundinstandsetzung des Kirchturms begonnen. Die Arbeiten bekam das erfahrene Fachunternehmen RWG aus Szczecin unter Leitung von Mag. Ing. Bogdan Bęben übertragen. Der erste Bauabschnitt umfasste die Instandsetzung der Turmkonstruktion einschl. der Deckenebenen und Dachneueindeckung mit Creaton-Tonziegeln.  Ca. 35 Prozent der Konstruktionshölzer mussten ersetzt werden.  Alle Reparaturen und Holzergänzungen wurden mit zimmermannsgerechten Verbindungen ausgeführt.

Der im November/Dezember 2014 realisierte zweite Bauabschnitt hatte die vollständige Erneuerung der verschlissenen Holz-Außenverschalung mit ihren unbefriedigenden Reparaturergänzungen zum Inhalt. Verbaut wurden kesseldruckimprägnierte Lärchenbretterin 3,2 cm Dicke. Die Übergangsstellen wurden wieder mit Holzleisten bedeckt. Anhand einer erhaltenen Schallarkaden-Jalousie, die als Muster diente, konnten die Jalousien der in der Glockenstuhlebene angeordneten Schallöffnungen wiederhergestellt werden. Die Holzverschalung wurde innen hinterlüftet eingebaut und außen mit brauner Imprägnierfarbe geschützt.

Die in die Turmspitze hinaufführende Holzleiter wurde, wo notwendig, ergänzt. Ihre Holzteile sind mit dem Präparat Altax Boramon entwest worden. Die Turnkugel aus Kupfer wurde gereinigt. Gewehreinschusslöcher sind durch Verlöten geschlossen worden. Die Stange der Wetterfahne aus Schmiedestahl wurde gründlich entrostet und mit Spezialkorrosionsschutzfarben konserviert. Abschließend wurde die Wetterfahne mit dem Baudatum des Turms in einem Fähnchen aus Kupferblech in die vorhandenen Befestigungselemente montiert.

Nach Ertüchtigung des Fundaments und Sanierung der Turmkonstruktion erfolgte die Nivellierung des Geländes mit der Wasserableitung. Am Rande der reprofilierten Fläche wurde ein 50 cm breiter Entwässerungsstreifen aus Kiesschotter angelegt. Das reprofilierte Gelände um den Turm wurde mit Feldsteinpflaster auf Schotter (nach der früheren Kofferbettvorbereitung und Schichtverdichtung) befestigt. Dabei wurde das ursprüngliche fünfprozentige Gefälle zur Ableitung des Niederschlagswassers wiederhergestellt.

Die Finanzierung der Instandsetzung der Turmkonstruktion erfolgte mit Mitteln des Ministeriums für Kultur und Nationales Erbe sowie des Marschallsamts und des Denkmalamts der Woiwodschaft Westpommern. Die Erneuerung der verschlissenen Holzverschalung konnte 2014 als zweite Etappe von der Deutsch-Polnischen Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz in Görlitz mit einer Zuwendung der Beauftragten für Kultur und Medien der deutschen Bundesregierung realisiert werden. Die Umsetzung der Maßnahmen ist dank des Engagements vieler Dorfbewohner, guter Zusammenarbeit der unmittelbar an dem Projekt beteiligten Personen sowie durch den Einsatz des Projekt-Koordinators Józef Leśniański und die geistliche Unterstützung des Pfarrers der Kirchengemeinde, Priester Dr: Stanisław Ilnicki gelungen.

Der Turm ist vorbildlich denkmalgerecht instand gesetzt. Die bauausführende Firma hat die Arbeiten an der Turmkonstruktion Holz in Holz ausgeführt, d.h. es wurden keinerlei Metallelemente, auch keine Metallschrauben anstelle von Holznägeln eingebaut!

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Nach der Instandsetzung des Holzturms ist die Kirche in Sławęcin (Schlagenthin) soweit gesichert, d.h. kurz- und mittelfristig stehen keine weiteren Baumaßnahmen an.

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  • Turminstandsetzungsmaßnahme betreuender Architekt: Piotr Błażejewski (Szczecin)
  • Ausführende Baufirma: Firma R.W.G. Hurt – Usługi – Produkja Spólka z o.o.  (Szczecin), vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden mgr inz. Bogusław Bęben
  • Bauherr: Kirchengemeinde „Parafia Rzymsko-Katolicka p.w. św. Andrzeja Boboli“ vertreten durch Pfarrer Ks. Probosz Dr. Stansislaw Ilnicki, Piasecznik 50, PL– 73-200 Choszczno  und Józef Leśniański (Sławęcin –  Schlagenthin), Projektkoordinator
  • Fachliche Beratung: Woiwodschaftsdenkmalamt Szczecin (Stettin)
  • Fachbegleitende Regionalbeauftragte (bis 2016) für die DPS-Fördermaßnahme der Deutsch-Polnischen Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz „Erneuerung Holzverschalung Turm inkl. Natursteinpflasterung und Restaurierung Turmbekrönung“: Dr.-Ing. Beata Makowska, Szczecin
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